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Armut und Wohnungsnot in München – eine Veranstaltung des Bündnis München Sozial zeigt Strategien zur Bekämpfung auf

Die Wohnungsnot in München trifft die Schwächsten der Gesellschaft am härtesten. Sie hat inzwischen aber auch längst die gesellschaftliche Mitte erreicht.

18. Mai 2018 von 9.00 bis 14.00 Uhr im Gewerkschaftshaus in der Schwanthalerstraße 64, 80336 München

BündnisIn ihrer Einführung begrüßten Karin Majewski (Paritätischer Wohlfahrtsverband) und Norbert J. Huber (Caritas) und bedankten sich bei allen Mitwirkenden.
Sie zeigten auf, dass die Bereitstellung von Wohnraum für Menschen sowohl mit geringem als auch mittlerem und sogar höherem Einkommen eine der drängendsten Herausforderungen in der Boomtown München ist. Die Mietpreise in München klettern Richtung 19 Euro pro m² und mehr. Seit 2005 steigen sie jährlich um fast 5 Prozent. Die Preise für neue Grundstücke sogar um mehr als 12 Prozent. Der Bestand an geförderten Wohnungen hat sich von 86.000 Wohneinheiten auf 74.500 reduziert. Und schrumpft jährlich weiter. Die Zahl akut wohnungsloser Menschen hat von 2014 auf heute um weit mehr als ein Drittel zugenommen. Ca. 9000 sind es derzeit. Für 2018 prognostiziert das Sozialreferat 10.500 Wohnungslose. So müssen fast 2/3 (62%) der armen Haushalte 40 % oder mehr ihres Einkommens für Miete oder Wohneigentum ausgeben. Trotz eines gigantischen münchner wohnungspolitischen Programms ist die Lage mehr als Besorgnis erregend. Die Folgen sind in allen Bereichen der Sozialen Arbeit sichtbar.

Die Referenten untermauerten den hohen gesellschaftlichen Handlungsdruck und zeigten Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnungsnot auf:

Bündnis München Sozial Wohnen SpechtDr. Thomas Specht , Wohnungsnotfallhilfen, belegte mit einem statistisch sehr differenzierten Blick  das wahre Ausmaß der Dauerkrise am Wohnungsmarkt und ihr tieferer Zusammenhang mit dem Ansteigen der Wohnungslosigkeit. Da wohnungslose Menschen zu 70% Einpersonenhaushalte sind, ist der Bedarf an Ein- und Zweiraumwohnungen am höchsten. Er schloss seinem Vortrag „Die Armut des Wohnens – Lokale Strategien gegen drohende und akute Wohnungslosigkeit“ mit den politischen Forderungen für Bayern und München: Initiative im Bundesrat für eine Bodenwertzuwachssteuer; Sozialen Wohnungsbau angemessen verstärken und auf Kleinstwohnungen ausrichten; Wohnungsnotfallstatistik bundesweit und landesweit einführen; Landesweites Förderprogramm für Wohnungsnotfälle.

Bündnis München Sozial Wohnen HofmannRainer Hofmann, Bund Deutscher Architekten, stellte seinen Vortrag unter die Überschrift „Neu Bauen in Ballungsräumen – Strategien für nutzerorientiertes Planen“. Hier machte er deutlich, dass der große Bedarf an bezahlbarem Wohnraum in München und anderen Großstädten einer differenzierten und nutzerorientierten Planung bedarf, die einerseits den Nutzern dauerhaft diesen Wohnraum erschwinglich zusichert und anderseits Raum für Aneignung bietet. Gerade bei einer dauerhaften Zusicherung von bezahlbarem Wohnraum und der Möglichkeit dort sichtbar Wurzeln zu schlagen – entsteht so etwas wie Nachbarschaft. Anhand von Fallbeispielen aus seiner Arbeit als Architekt zeigte er auf mit welchen architektonischen, stadtplanerischen und organisationsstrategischen Mitteln solche Ziele umgesetzt werden können.

Bündnis München Sozial Wohnen StupkaDas Thema von Christian Stupka, Sprecher der Münchner Initiative, war „Bodenrecht und Wohnraumversorgung – Plädoyer für die stärkere Gemeinwohlbindung von Grund und Boden“. Der entfesselte Bodenmarkt entfaltet eine zersetzende Wirkung auf den sozialen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft. Die sozialen Folgekosten werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Da Boden kein Gut wie jedes andere ist und unvermehrbar ist, verbietet es sich, Boden dem freien Marktgeschehen zu überlassen. Seine Initiative fordert daher ein Soziale Bodenrecht für bezahlbare Wohnraum und lebenswerte Städte. Sogar die Bayerische Verfassung gibt regelt dies bereits (Bayerische Verfassung, Art 161 [...] (2) Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.).

Die Schilderung von konkreten Fallbeispielen aus der Sozialen Arbeit rundeten das Bild ab.
MALZ, das Münchner Arbeitslosenzentrum, zeigte anhand von 2 Fällen aus der Beratungspraxis, welche existentiellen Auswirkungen die HartzIV-Gesetzgebung hat. Das ASZ Untergiesing zeigte, wie der katastrophale Wohnungsmarkt gerade Ältere Menschen betrifft: Isolation, erschwerte Wohnungssuche, da Alter Vermittlungshemmnis darstelt, oft bleibt nur das Heim als letzte Möglichkeit. Der Verein für Sozialarbeit stellte dar, wie schwer der Übergang für junge Erwachsene aus einer Jugendhilfeeinrichtung auf den freien Wohnungsmarkt ist. Der siaf e.V. berichtete aus Sicht einer Alleinerziehenden, wie stark das Leben belastet ist, wenn man gezwungen ist mit seinem Kind in einem Ein-Zimmer-Appartement zu leben.

Es folgte eine offene Arbeits- und Diskussionsphase in kleineren Gruppen. Die Teilnehmenden erarbeiteten an Thementischen konkrete Strategien und Forderungen zur Bekämpfung bzw. zur Verhinderung von Armut und Wohnungsnot. Zum Beispiel wurden folgende Ideen entwickelt: Nutzung des Vorkaufsrechts; Forcieren des Baus von Klein- und Kleinstwohnungen; Aufbau von Börsen für Wohnungstausch oder gemeinschaftliche Nutzung; Eigentum nur noch als Erbbaurecht; Gemeinwohlorientierter Verkehrswert = Ertragswert; Überbauung von Parkplätzen und Supermärkten, ….

Die Ergebnisse der Thementische werden nun von Bündnis aufbereitet und am 12.September im Rahmen einer Veranstaltung zur Landtagswahl mit KandidatInnen der politischen Parteien diskutiert.

 

Download: Die Armut des Wohnens – Lokale Strategien gegen drohende und akute Wohnungslosigkeit, Dr. Thomas Specht
Download: Bodenrecht und Wohnraumversorgung – Plädoyer für die stärkere Gemeinwohlbindung von Grund und Boden, Christian Stupka
Download: Zusammenschau der Fallbeispiele aus der Praxis
Download: Fotos der Ergebnisse der Gruppenarbeit
Download: Einladung zur Veranstaltung Armut und Wohnungsnot in München, 18.05.2018